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Der graue Pirat

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IrisVilliam's avatar
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      Wache, Schwester, gib auf dich Acht!
      Wache, mein Bruder, bald wird es Nacht!

      Legst du dich schlafen, so findet er dich.
      Sein fahles Segel nähert sich.
      Blutrotes Lachen hat dich gebannt.
      Der graue Pirat nimmt deinen Verstand.

      So wache, Schwester, die Nacht ist schon alt.
      Wache, mein Bruder, die Sonne kommt bald.



Geschichten über den Grauen Piraten gehörten zu den düsteren Winternächten wie Feuer und Schnaps. Sie begannen, wenn den jüngsten Kindern schon die Augen zugefallen waren. Dann schlich sich zögernd ein Rhythmus in unseren Kreis, ein einsames Klopfen zunächst, ein leises Stampfen, das erwidert wurde und anschwoll, bis unsere Gespräche verstummten und der Raum erfüllt wurde vom eintönigen Herzschlag unserer Erwartung. Dann sprach jemand den alten Reim in die Stille: „Wache, Schwester…“

Jedes Mal überkam mich eine Gänsehaut und ich war froh, wenn der Branntwein die Runde machte und mir wieder etwas Leben in den Körper trieb. Wir sagten uns immer wieder, dass es nur Märchen waren. Doch die ernsten Gesichter der Erwachsenen, mit denen sie den Geschichten folgten, waren Widerspruch genug.
Jedes Wort hatte seinen Platz, jeder Satz seinen Rhythmus. Die Sprecher wechselten, der Takt blieb. Manchmal dauerten die Geschichten an bis zum Morgengrauen, und wir verließen das Feuer steif und glücklich über das erste Lachen eines erwachenden Kindes. Mehr als einmal hatte ich das Gefühl, gerade dem Tod entgangen zu sein.

Als ich zwölf Jahre alt war, sah ich das erste Mal sein Segel am Horizont meines Traumes, weit entfernt am Rand eines schwarzen Ozeans. Näher kam er mir nicht, doch am nächsten Abend sprach ich mit zitternder Stimme die Worte, die ich bisher nur gehört hatte. Ein kurzes Nicken der Älteren, wissende Blicke, als ich begann. Sie wussten.
Und ich verstand unseren Herzschlag, das Wachen und die Furcht, mit der wir unseren eigenen Geschichten in die Augen sahen. Meine Worte flochten sich in den Takt der Nacht. Ich wurde ein Teil davon.
Wie selbstverständlich übernahm ich meinen Anteil. Ich begann den Herzschlag, wenn es mich dazu drängte, sprach die alten Worte, wenn es mir zukam, und setzte in dunkler Stunde zur letzten Geschichte an, wenn die Dämmerung noch zu fern erschien.

Erst Jahre später tauchte er ein weiteres Mal in meinem Traum auf. Schwarze Wellen stießen an den Rand meines Selbst. Am Horizont, noch unscheinbar, ein helles Segel.

      Wache, Schwester, gib auf dich Acht!
      Der graue Pirat hat sich aufgemacht,
      er holt deine Seele, er holt dein Fleisch,
      wache, Schwester, er holt dich gleich.


Ich stand dort und starrte hinaus auf das Meer, sah einfach nur zu, wie er näher kam. Gewiss, dass ich sterben würde. Die schauerlichen Worte in meinem Kopf galten allein mir. Kein Entrinnen. Nur winzige Schritte wich ich zurück. Unter mir bröckelten Farben dahin…
Dann spürte ich das Beben unter meinen Füßen. Dumpf, dunkel, fern. Und ich rannte. Ich wusste, dass hinter mir die Wellen mein Land auffraßen, meinen Traum zerrissen, dass sie näher kamen. Ich rannte und meine Schritte wurden weit, mit jedem Sprung kam ich näher, das Beben wurde heller. Im Nebel stach es plötzlich klar heraus. Ich rannte, fiel, sprang durch die geöffnete Tür und wachte im selben Moment in meinem Bett auf.

Das Beben blieb, war Atem und Herzschlag der Schlafenden um mich herum, und holte mich zurück in ihre Welt. „Wache, Schwester…“ Mein Herz pochte laut und schnell in meiner Brust. Die Erinnerung an die unbekannten Worte brannte: „holt deine Seele, er holt dein Fleisch…“
Angst wurde zu Übelkeit und ich stand auf, um aus der Glut ein Feuer zu entfachen. Im Nachthemd kauerte ich mich daneben, und wartete auf den Morgen. Doch dann hörte ich in der Stille Leifs leise Stimme neben mir: „Wache, Schwester, noch ist es Nacht. Wache, dein Bruder gibt auf dich Acht.“ Er war nur wenig älter als ich, doch in diesem Moment mein Retter. Er schob seine Hand in meine, wir verschränkten die Finger und saßen stumm da. Ich hatte Fragen, so viele Fragen, doch es gab nichts als Tradition, Takt und Stille.

      Wache, Schwester, die Nacht ist noch lang,
      träumst du vom Sonnenuntergang.
      Wache, Schwester, nimm meine Hand,
      der graue Pirat betritt dein Land.


Ich war eingeschlafen, als es bereits wieder hell wurde, und erwachte nur kurze Zeit später, als Leif seine Hand aus meiner zog. Ich war müde, doch wir alle waren es gewohnt, Tage und Nächte zu trennen, morgens zu vergessen, was immer die Nacht bedeutet hatte. So ging jeder seinen Pflichten nach. Ich machte mich mit den anderen auf den Weg, um Holz zu sammeln und unsere Netze zu kontrollieren.

Die salzige Luft, die meine Heimat umgab, war eiskalt und an diesem Tag fühlte sie sich nach Tod an. Ich dachte daran, wie kalte, salzige Luft meine trockenen Knochen umgeben würde, wenn der Graue Pirat genommen hatte, was er wollte. „holt dein Fleisch“, die Worte bohrten sich in jeden Gedanken.

Der Pirat stahl Träume, Hoffnungen, Gedanken, Verstand. Er ließ leblose, lebendige Hüllen zurück, ohne Seele darin. Meistens. Selten fand man seine Opfer tot, ausgeblutet, den Schrecken noch in ihrem Gesicht. Unsere Geschichten erzählten von diesen Dingen, und nur sehr wenige berichteten von Wagemut und Hoffnung, von Opfern, die dem Piraten wieder entrissen werden konnten. Die meisten warnten uns nur. Geh nicht raus in der Nacht. Verlass nicht das Feuer. Und niemals, nein, niemals lade ihn ein. Töricht war es mir erschienen, wenn in den Geschichten ein Mädchen den Kuss des Piraten ersehnte. Wenn ein Mann seinen Mut beweisen wollte, indem er dem Meer seine Herausforderung entgegen schrie. Töricht und dumm.

Jetzt stand ich selbst auf den Klippen und fragte mich, wo er auf mich wartete. Wo er lauerte, um mich zu holen. Und beinahe nur hätte ich um sofortige Erlösung gebeten, beinahe nur wünschte ich, sein Segel am Horizont zu sehen, um mich zu holen. Beinahe nur, oder tat ich es tatsächlich?
Ich wusste mit derselben unerklärlichen Sicherheit, mit der ich vor Jahren in den Rhythmus gefunden hatte, dass ich schlafen würde. Dass es in dieser Nacht keinen Takt geben würde, keine Geschichten. Unausweichlich. Ich war auf mich gestellt, und ausgeliefert.

Und es war ein ruhiger Abend, an dem wir früh die Kerzen löschten. Als ich einen Blick in Leifs Gesicht wagte, war mir, als wüsste er es. Seine dunklen Augen waren ernst. Doch keiner von uns hatte den Herzschlag begonnen. Kein Klopfen hatte mich erlöst, keine Geschichten hielten mich wach. Ich legte mich zwischen die Decken und fröstelte. Ich hörte meinen eigenen Atem, mein Herz. Zu spät.

      Schlafe, Schwester, der Tag war lang,
      träumst du den Sonnenuntergang,
      klammer Nebel nimmt dir die Sicht,
      der graue Pirat verschont dich nicht.


Ich saß am Feuer und wusste, dass irgendwo in der Ferne schwarze Wellen ihren Kreis um mich gezogen hatten. Nebel stahl die Reste meiner Landschaft, bis nichts übrig blieb als das Feuer und ich. Die Flammen waren kühl, mein Atem hing in feinen Tröpfchen in der Luft und der Nebel legte sich kalt auf meine Haut. Gebannt starrte ich hinaus, doch meine Augen fanden keinen Anhaltspunkt mehr. Ich drückte meine Hände gegeneinander, denn mein eigener Körper war zum letzten Anker in dieser Welt geworden.

Still erwartete ich, was kommen würde, und war doch nicht vorbereitet: Kreischendes Lachen fuhr durch meine Knochen, ließ mein Blut erstarren, lähmte mich. Vertrieb, was immer vorher noch da gewesen sein mochte. Es blieb nichts mehr außer Nebel, Kälte und Schrecken. Ich fiel auf die Knie und harrte seiner Ankunft. Irgendwo in meinem Innern musste es noch etwas anderes geben. Ich versuchte, mich daran zu erinnern.

Dann hörte ich das Klopfen. Tock. Tock. Leise zunächst. Und falsch. Ich wollte darauf reagieren, und konnte es nicht. Entsetzt sah ich auf. Langsamen Schrittes kam er näher. Jeder Schritt ein dumpfes, gefährliches Tock schwerer Stiefel. Ein silberglänzender Säbel an seinem Gürtel. Eine Uniform in der Farbe des Nebels. Graues, langes Haar, das schwerelos war und ihn umgab wie das einer im Wasser treibenden Leiche. Schmale, tote Lippen in einem fahlen Gesicht.
Als er seine Hand nach mir ausstreckte, wich ich nicht zurück. Sanft strich er mit eiskalten Fingern über meinen Kopf, sein Lächeln gierig. Mein Atem stockte, als ich in seine Augen sah. Dort waren sie, alle, die er jemals gestohlen hatte. Und bald würde ich dort sein. Eine Ewigkeit sah ich in seine Augen. Eine Ewigkeit, die mich beinahe einfach verschlungen hätte.

      Wache, Schwester, gib auf dich Acht!
      Der Graue Pirat kommt in der Nacht.
      Dein Bruder aber wartet auf dich,
      wache, Schwester, folge ihm nicht!


Suchend sah ich mich um. Worte ohne Quelle zogen durch meine Welt. Der Pirat stand noch immer vor mich, doch er regte sich nicht. In dem Moment, da ich mich bewegt hatte, war er zu einer unheimlichen Statue erstarrt. Wie eingefroren. Nur sein Haar wogte noch immer sanft hin und her.

      Wache, Schwester...

Ich hörte die Worte, die mir einen Weg wiesen. Ich wollte ihnen folgen, doch noch nicht. Ich war aufgestanden und betrachtete das bleiche Gesicht des Piraten, der jetzt keine Angst mehr in mir auslöste. Traurig war er. Sein düsterer Blick so leer. Vorsichtig strich ich die Haarsträhnen zurück, die vor seinem Gesicht hingen. Berührte die kalte, nasse Haut an seinen Schläfen.
„Wache, Grauer, die Nacht ist noch lang, ich träum dir den Sonnenuntergang“, flüsterte ich leise. Ein Lidschlag, dann sah er mich an. Fest packte er mich am Arm, doch nicht, um mich mitzunehmen, sondern selbst entsetzt, verängstigt. Uralte Augen sahen mich unwissend an. „Ich komme wieder“, flüsterte ich.

Dann erwachte ich in Leifs Armen, geborgen von seiner Wärme und den Worten, die er in mein Ohr wisperte. Einen Moment sahen wir uns nur an, dann küsste er sanft meine Stirn und ließ sich erschöpft wieder auf sein Kissen sinken. Ich drückte mich an ihn und schlief traumlos bis zum nächsten Morgen.

Die folgenden Nächte waren ermüdend. Wir saßen lange, beinah bis zum Morgen, und hielten die Geschichten und das Feuer lebendig. Vielleicht hatten sie alle gewusst, dass der Pirat Jagd auf mich machte. Vielleicht war dies alles, wie es sein sollte. Und ich hätte mich sicher fühlen können. Doch ich dachte viel zu oft an meine Worte: „Ich träum dir den Sonnenuntergang.“ Ich hatte vor, mein Versprechen zu halten und erfuhr das erste Mal, dass unsere Riten ihn tatsächlich fernzuhalten vermochten. Denn die wenigen Stunden, die ich in diesen Tagen schlief, waren völlig traumlos.

Was diese Zeit erträglich machte, war Leif. Wie zufällig hielt er sich in meiner Nähe auf, warf mir hier und da verschwörerische Blicke zu und wenn er abends neben mir saß, berührten sich unsere Knie und Schultern. Mehr als einmal brachte er mich mit seinem Lächeln völlig aus dem Takt und manchmal wagte ich, meinen Kopf müde an seinen Arm zu lehnen. Ich fragte mich, ob ich wohl noch ein zweites Mal in seinen Armen aufwachen konnte und sehnte auch deshalb den Grauen Piraten zurück.

Und schließlich kam der Abend, an dem wir ohne Geschichten das Licht löschten. Alle brauchten diese Nacht, brauchten Schlaf. Ich hatte den seltsamen Eindruck, sie zu betrügen, als ich mir vor dem Schlafen das Gesicht des Piraten ins Gedächtnis rief. Hatten sie sich nicht alle angestrengt, um mich zu beschützen? Doch ich sprang geradezu in die Gefahr hinein. Töricht und dumm, wie auch die anderen Opfer aus den Geschichten.

      Legst du dich schlafen, so findet er dich.
      Sein fahles Segel nähert sich.
      Blutrotes Lachen hat dich gebannt.
      Der graue Pirat nimmt deinen Verstand.


Eine rote Sonne näherte sich dem schwarzem Meer und warf ihr unheimliches Licht darauf. Der Himmel war weiß wie das Segel des Schiffes, das dort draußen vor Anker lag: Der Graue Pirat war bereits hier. Lautlos schritt er durch die Brandung auf mich zu und brachte den Nebel mit. Kein Lachen ließ mein Blut stocken. Ich war ängstlich, und doch auch begierig.

Als wir uns schließlich gegenüberstanden, war sein Gesicht ruhig wie die stille Oberfläche eines Sees. In seinen Augen spiegelte sich der Strand. Sein Haar hing herab, glatt und unbewegt. Als sich seine Lippen öffneten, erschienen die Worte einfach in meinen Gedanken: Du bist mein.

Wütende Worte. Als ich zurückweichen wollte, packte er mich am Arm, drehte mich um und hielt mich fest, sodass ich auf mein eigenes Land blickte. Er zwang mich, zuzusehen, wie es Stück für Stück verschwand. Mein Leben verging im Nebel. Du bist mein, vernahm ich ein weiteres Mal und stand starr, bis schließlich vor mir Nichts war und sich meine Füße bereits an Deck des Schiffes befanden. Als er mich losließ, stürzte ich zur Reling, doch da war nichts mehr. Kein Land, keine Insel. In allen Himmelsrichtungen nur schwarze Wellen und das rötliche Licht der Sonne, die bereits zur Hälfte verschwunden war.

Ich zuckte zusammen, als plötzlich das „tock“ seines Schrittes wieder Geräusch brachte. Ohne nachzudenken antwortete ich darauf, schlug meine Fingerknöchel auf die Reling. Sein nächster Schritt, und ich stampfte mit meinem linken Fuß auf. Es war der Rhythmus, den ich seit meiner Geburt kannte. Der, wann immer jemand damit begann, aufgenommen wurde. Ich drehte mich um, sah ihn an und da sein Schritt fehlte, stampfte ich ein weiteres Mal. Er antwortete: tock.  
Er trat an die Brüstung neben mich und ich ließ dumpf meine Faust auf auf das Holz fallen. Sein Klopfen war heller, dann stampfte ich ein weiteres Mal. Er hatte Angst. Wir beide hatten Angst. Doch ich folgte dem Takt, der so tief in mir verwurzelt war, dass ich ihn unmöglich unterbrechen konnte. Er folgte. Bis wir schließlich unseren Rhythmus gefunden hatten. Dumpf ließen wir mit unseren Händen auf der Reling den Herzschlag erschallen. Ein gleichmäßiges, stetiges Klopfen, bis wir beide mit einem Mal innehielten.

„Wache, Schwester, gib auf dich Acht“, flüsterte seine rauhe Stimme neben mir, und ich antwortete: „Wache, mein Bruder, bald wird es Nacht.“ Wir sprachen gemeinsam weiter: „Legst du dich schlafen, so findet er dich. Sein fahles Segel nähert sich. Blutrotes Lachen hat dich gebannt. Der graue Pirat nimmt deinen Verstand. So wache, Schwester, die Nacht ist schon alt. Wache, mein Bruder, die Sonne kommt bald.“
Ich atmete tief ein, dann sagte ich zittrig wie beim allerersten Mal: „Die Geschichte vom Mädchen, das dem Piraten den Sonnenuntergang versprach.“ Doch er legte ruhig seine Hand auf meine Schulter und sagte mit seiner brüchigen Stimme: „Die Geschichte vom Jungen, der der Graue Pirat wurde.“
Ich nickte. Doch es dauerte lange, bis er schließlich zu sprechen begann:

      Es war Krieg, als ein Junge bei seinem Volk lebte.

      Es war Krieg, und sollte Frieden werden, so musste es ein Opfer geben.

      Er ging wie verlangt auf das Schiff seiner Feinde.

      Dort stand er und sah, wie die Heimat brannte.

      Es sollte Frieden werden, doch kam nur der Tod.

      Spott, als er um Erlösung flehte.

      Blutroter Spott als sie ihn, den Letzten, im Meer versenkten.

      Sein letzter Wille war Rache.


Er hatte meine Hand ergriffen und ich hatte wie in einem Traum lebendig vor mir sehen können, wovon er erzählte. Entsetzen hatte mir kalte Schauer über den Rücken gejagt. Als ich ihn jetzt ansah, waren seine Augen erfüllt von seinen Opfern wie bei unserer ersten Begegnung. Sein Haar hatte sich wieder wogend um seinen Kopf gehoben.  
Dann trat er zurück und richtete seinen Säbel auf mich. Ich wich zurück, stieß an die Reling und warf einen Blick hinunter auf die dunklen Wellen. War es das, was am Ende geschah?

Sein Gesicht war starr, der Säbel unbeirrt auf mich gerichtet. „Und soll Frieden werden, so muss es ein Opfer geben“, sagte ich leise und bebte innerlich vor dem, was ich tun würde. Tränen rannen ungehalten aus meinen Augen, als ich hinaus in die untergehende Sonne blickte und ein Bein über die Brüstung schwang. Ich sah hinunter in den Tod, dann blickte ich zurück in die uralten Augen. Er stand unbewegt. „Sie ging wie verlangt“, flüsterte ich, als ich mich von ihm abwandte. Vor mir der Tod.

Er wäre lieber bei seinem Volk gestorben, vernahm ich und wisperte: „Ich auch.“


      Sein Name war Jón.

Mit diesen Worten im Kopf öffnete ich die Augen und fand mich in der Wärme und Geborgenheit der Wirklichkeit wieder. Leif neben mir atmete tief und ruhig. Die Glut unseres Feuers erinnerte mich an eine rote Sonne über schwarzen Wellen und die flammende Heimat eines Jungen. Ich lebte, und würde Jóns Geschichte erzählen.
Mein Beitrag für den aktuellen Wettbewerb der Schreiberlinge: Nr. 4.1: Piraten

Was soll ich sagen, die genaue Aufgabe lautete: "Schreibt einen Text über Piraten. Aber nicht über die 0815 übers Meer segelnde Schatzsucher à la Fluch der Karibik etc. Denkt euch eine neue Interpretation aus."
Ich muss gestehen, bisher für mich eine der schwierigsten Aufgaben, da ich mich anfangs doch gefragt habe, ab wie viel "origineller Neuinterpretation" man am Ende einfach nur das Thema verfehlt... Oder was dann doch zu langweilig und stereotyp ist? Bin in dem Sinne froh, einen vernünftigen Beitrag einreichen zu können. Juhu! :D

Unabhängig vom Wettbewerb: Das hier ist ein Genre, in dem ich mich alles andere als zu Hause fühle, daher freue ich mich besonders über Rückmeldungen, auch über kritische. Wie ging es euch beim Lesen?

PS: 2691 Wörter. ;-)
© 2015 - 2024 IrisVilliam
Comments27
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Kite-7's avatar
So, nachdem ich erst nur ein Sternchen verteilt und mich dann weggeschlichen hatte, muss ich jetzt doch noch sehr verspätet sagen, dass mir deine Geschichte über den grauen Piraten sehr gut gefallen hat! :heart:
Eine gruselige, düstere Geschichte, bei der vieles im Nebel bleibt. Ich habe das allerdings auch wie Story-of-a-Mind gesehen, dass das Opfer am Ende bzw. die Bereitschaft dazu, sich dem mutig zu stellen und das Versprechen seine Geschichte zu erzählen, den Rachegeist letztendlich erlöst hat. :)

Ashamed Tut mir leid, dass der Kommentar so lange auf sich warten gelassen hat.